E-16 IM HOLZKABINETT

wieder im Holzkabinett, dasselbe honiggelbe, wieder
am verschlungenen Fluß, mit dem scheinbaren See
zwischen zwei Wehren. Die Köpfe der Schwimmer festgehakt
auf einer trägen, braun und grün schimmernden Oberfläche.

Wer hier auch ruft – man hört ihn, man ruft nicht zurück,
es ist nur das Echo. Manchmal ein Steingesicht,
manchmal grüne Algen auf Stein. Manchmal auch –
und das ist nach den Gewittern nicht überraschend –

geschlechtlich ringende Schnecken mit steilen Mänteln.
Auch mit Geduld sind ihre Liebespfeile nicht zu erkennen.
Die Betrachter bohren ihre Finger in die kalkige Erde,
wagen die Vorstellung eines Lebens im Schneckenhaus.

Das Schloß leuchtet auch aus der Ferne. Grober Klotz
unter einem Wolkenliebesspiel zwischen erschreckender
Düsternis und blendender Leuchtkraft. Einmal Regen,
der an den Fenstern kraftvoll vorbeizischt, einmal Hagel.

Lektüre. Und daraus der Schmerz aus allen Details
eines maßlosen Geschlechtsverkehrs über viele Seiten.
Sowohl der fremde Mann als auch die fremde Frau sind in mir.
Auch das fremde Haus, die Dreieckssituation, die Obsession

im Detail, Zeitdehnung, der geschrumpfte Wahrnehmungsradius.
Einmal im Schneckentempo alle äußeren und inneren Häute
so aneinander gerieben, dass sich Elektrizität aufbaut, die diskret,
zugleich feurig die nächsten Tage beherrscht, sogar steuert

(Mittwoch, 13.6.2012, 14.06 Uhr)

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