A-03 AUTO IM REGEN

1

Auto im Regen, und jemand hat Angst
vorm Donner draußen. Man ist verführt,
zurückzublicken, etwas von damals
aufzutischen, ins schöne Gesicht nebenan,
direkt in den schönen Mund. Und hinter dir das Kind,
das zuvor immer wieder in die Höhe sprang,
mit Händen, die den Himmel berühren wollten.
Jetzt siehst du auch den Mann, der bei jedem
seiner Sprünge die Arme ausbreitet und klatscht

2

es ging um Verrat, Demütigung und Macht.
Zwischen die Räder der Eltern kam ein Kind,
das nun ein Mann ist, der sich nicht rechtfertigen will.
Die Schöne mit dem rasierten Kopf balanciert
auf einem Band zwischen zwei Bäumen ohne
zu fallen. Sie geht dir danach gleich zur Hand,
indem sie deine Einladung nicht annimmt.
Auf den Cent genau gibt sie dir ihren Anteil zurück

3

natürlich eine Ehegeschichte, und du warst viel
zu jung, um Widerstand zu leisten. Es gab
ein Haus nur im Kopf, aber ein Kabinett zum Wohnen
für das Paar, immer Zeuge unermüdlicher Elternarbeit,
schon am frühen Morgen. Noch im Halbschlaf trat
Sex so oft heran, auch die Kunst als leichtsinnige
Lebenshochstimmung, die eine Zukunft verstopft hat

4

Vertrauen war eine Falle, ist es noch jetzt. Jeder Mensch,
dem du vertraust, entpuppt sich als einer, der unermüdlich
auf die Rätselhaftigkeit seines Kopfes pocht.
Du hörst dir zu und hörst kein Rätsel.
Du schlägst dich mittels Vernunft durch, auch wenn es
um Verbindlichkeiten geht zwischen den Hirnhälften

5

ein Geburtstag folgt auf den andern. Nie bist du
zufrieden mit jenen, die schon vorbei sind. Es sind
nicht die deinen, die dich so leichtfertig machen,
daß du die Hand drauf halten willst. Du wirst fügsam,
wenn die Mädchen die Haare fliegen lassen. Wenn sie
auf den Handys mit schnellen Fingern Dinge
skizzieren, die dann in der gegenteiligen Welt
erkannt und prompt weitergeschickt werden – Flasche,
Hals, Hirn, Zigarette, Becher, Asthma, Trostbonbons

6

viele Möglichkeiten in den Augenwinkeln – das
ist nicht dein Fall. Du lauerst nicht, bedauerst dich
auch nicht wegen einer Muskel- oder Venenschwäche.
Du nimmst die Gläser wahr, wie sie sind, zugleich
voller Sehnsucht, wie ein Kind auch im vollen
Genuß der Prohibition. Grammatik ist noch nicht
wirksam eingedrungen, feingliedriger Satzbau
eine noch schwierige Kunst. Du siehst dich
an einem Ofen, in dem es hellauf feuert. Die linke
Seite erstaunlich heiß, die rechte kalt und starr

7

wenn das Auto wegfährt, ist das keine Transition.
Das schöne Gesicht schnell vergangen, auch das Kind,
das sich hinterm Buch versteckt hielt. Es war eine Stimme
von hinten, die Erwachsensein reklamierte. Es war
ein Mädchen, das Überschläge perfektionierte, immer
mit einem kleinen atemlosen Aufschrei, als wär sie
auf dem Damentennisfeld. Du wirst den Finger draufhalten,
nichts wird explodieren oder sich ins strömende Out
katapultieren. Hier drinnen bleibt alles sehr lang still

(Sonntag, 10.06.2012, 22.41)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert